Was soll denn das bitte sein? Eine neue mathematische Formel? Naja, das wäre wohl zu einfach und zu schön um wahr zu sein…

Auch meine Mitstreiter Felix und Oliver haben sich damals gefragt: „Ist Ronnie jetzt total verrückt geworden?“ Na, das hoffe ich doch mal nicht…

Und dennoch stehen Führung, Sinnstiftung und kultureller Wandel durchaus in einem Zusammenhang.  Und letztlich ist diese „Formel“ das Ergebnis aus dem Zusammenbringen unserer unterschiedlichen Perspektiven, Erfahrungen und Herangehensweisen bei Innodrei. Aber alles der Reihe nach.

Angefangen hat es in meiner Zeit als Führungskraft und meiner Neugier darüber, wie Menschen geführt werden wollen und wie wirksame Führung im Sinne des Unternehmenserfolgs entstehen kann. Ein paar Jahre später traf ich dann auf Felix, der sich mit Innovation und Organisationskultur beschäftigte. Das fand ich sehr spannend und wurde in meiner Begeisterungsfähigkeit für neue Themen und Zusammenhänge mitten ins Herz getroffen.

Zugegeben, auch für mich war das Thema und der Begriff „Kultur“ im Zusammenhang mit Unternehmen anfangs nur sehr schwer greifbar. Also fragte ich Felix danach und er sagte mir: „Kultur ist wie ein Schatten, er ist immer da und beschreibt den aktuellen Zustand an Mustern und Ritualen, mentalen Modellen und Geschichten des Unternehmens. Mal ist er größer und mal kleiner, aber er ist immer da.“

Was für mich zunächst philosophisch klang, wurde in meiner Arbeit für und in Unternehmen immer präsenter und klarer. Die Größe des Schattens ist vergleichbar mit der Wirkungskraft der vorhandenen Kultur im Unternehmen. Gerade in Veränderungsprozessen habe ich die vorherrschende Kultur oftmals als eine Art „Verhinderungsmonster“ wahrgenommen. Und dabei fühlte ich mich immer wieder an eine Aussage von Peter Drucker erinnert: „Culture eats Strategy for Breakfast!“

Wie wahr. Eine neue Strategie bedeutet auch immer ein Stück Veränderung des Bestehenden. Mal mehr, mal weniger. Umso mehr Veränderung, desto stärker fiel die Reaktion der Kultur aus. Irgendwie logisch, denn welcher Mensch mag schon gerne Veränderung? Es ist doch gut so, wie es ist und wie es in den letzten 30 Jahren war, schließlich waren wir immer erfolgreich. Also wieso etwas verändern?

Neue Ideen sind zwar grundsätzlich toll und gewünscht, aber in 2-3 Jahren kommt doch sowieso wieder etwas Neues. Und eigentlich machen wir doch immer ganz gerne das, was wir immer gemacht haben: „Der Mensch ist halt ein Gewohnheitstier. Das bedeutet auch, dass die Kräfte von Kultur umso größer sind, je länger sie ausgeprägt wurde und je öfter sie sich bereits gegen aufkommende Veränderungen gewährt hat.

 

Kultur hat also schon mal eine gravierende Bedeutung bei Change-Prozessen. Und Führung?

Führung tatsächlich auch und das wird oft unterschätzt bzw. die Veränderungs-Kompetenz von Führungskräften oftmals überschätzt. Bei unserer Arbeit in Unternehmen hören wir von Mitarbeitern ganz oft Aussagen wie: „Wieso hören wir von dem Thema nichts von unseren direkten Führungskräften?“ oder „Das Management sollte dieses Training auch mal belegen, dann wüssten sie auch, worum es eigentlich geht.“

Führungskräfte stecken ganz oft in einem Dilemma. Viele von ihnen werden über fachliche Karrieren irgendwann zur Führungskraft, weil oftmals nur so die nächste Karrierestufe erreicht werden kann. Heißt auch, dass sie auf eigentliche Führungsthemen ebenso oft nur unzureichend vorbereitet sind. Vor allem auf so große wie komplexe Herausforderungen wie Veränderungsprozesse. Und hinzu kommt, dass sie meist von diesen Veränderungsprozessen auch selbst betroffen sind. Und gerade im Change ist Führung so wichtig wie in kaum einer anderen Situation.

Insbesondere wenn es um kulturellen Change im Unternehmen geht, wird es herausfordernd. Klar ist die Vorstellung toll, man könnte neue Formen von Arbeitsweisen einfach so verordnen, Mitarbeiter wenden sie an und alles wird gut. Aber gerade das funktioniert nicht, insbesondere dann nicht, wenn Hierarchien stark ausgeprägt sind. Das Bild des Steinturms kann das aus meiner Sicht sehr schön verdeutlichen. Je nachdem, wie man die Steine ganz unten oder auf den Ebenen darüber verändert, kommt der Turm ganz schön ins Wanken und kippt vielleicht sogar vollständig um.

Einen solchen Turm baut man am Besten von oben nach unten ab und dann von unten nach oben wieder auf. Das heißt, wenn neue Strategien oder andere Veränderungen umgesetzt werden sollen, sollte auch der Change mit Fragen wie „Was bedeutet die erfolgreiche Umsetzung dieser Strategie für unsere jeweilige Ebene?“ oder „Was müssen wir z.B. in unserer Führung verändern oder berücksichtigen, damit dieser Change gelingen kann?“ von oben nach unten beginnen.

Für die jeweiligen Management- und Führungsebenen bedeutet dies Klarheit und Transparenz in der Strategie bzw. im Wissen, worum es eigentlich geht. Also: Warum das Ganze eigentlich? Und damit kommen wir auch abschließend zum dritten Parameter unserer mathematischen Formel, dem Purpose, der Sinnstiftung oder noch einfacher formuliert, dem „WARUM?“.

Spätestens seit Simon Sineks Buch „Start with Why“ wissen wir über die Bedeutung der Frage nach dem WARUM und der Bedeutung der Beantwortung dieser Frage für wirksame Führung. Übertragen auf unsere Formel für kulturelle Veränderungsprozesse bekommt dem WARUM gleich eine doppelte Bedeutung zu. Einmal bezogen auf Führung und zusätzlich bezogen auf den Change.

Viele Veränderungsvorhaben scheitern daran, dass wir nicht wissen, warum wir uns genau jetzt verändern müssen. Weil es gerade schick und angesagt ist zur „agilen Organisation“ zu werden? Weil wir die strategische Roadmap schlechthin erarbeitet oder eingekauft haben? Oder weil es wieder an der Zeit ist, da die letzte Strategie schon Jahre zurück liegt oder ausgelaufen ist? Oder vereinbaren wir eine neue Strategie, weil es sich dann besser verkaufen lässt, Kosten zu reduzieren oder Mitarbeiter abzubauen?

Hilfreicher wären Fragestellungen nach dem Business Need wie: Warum Veränderung und warum genau jetzt? Was wird durch diese Veränderung ermöglicht? Was verlieren oder riskieren wir, wenn wir diese Veränderung nicht machen?

Wenn sich diese Fragen klar und nachvollziehbar beantworten lassen, dann dürfen wir auch davon ausgehen, dass Mitarbeiter den Sinn des Change verstehen. Und noch viel wichtiger, dass Manager und Führungskräfte den Sinn verstehen, denn sie gehen voran und nehmen ihre Mitarbeiter mit. Echter Sinn und Nutzen motiviert mehr als wir denken. Und Motivation brauchen wir, wenn wir den meist langen Weg eines echten Change durchstehen wollen. Gerade bei kulturellen Veränderungen sind Geduld und Durchhaltevermögen gefragt und mehrere Jahre keine Seltenheit.

Wenn Cultural Change gelingen soll, bedarf es also Leadership und Purpose.